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11
Feb
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Zuhälter und Ringvereine

Mit dem anhaltenden Boom des Vergnügungssektors bildeten sich in ganz Deutschland die sogenannten Ringvereine. Seitens der Kriminalpolizei wurden sie als organisierte Berufsverbrecher eingestuft, mit den bevorzugten Delikten der Schutzgelderpressung, dem Glücksspiel, Diebstahl und Hehlerei, Waffenschmuggel und Zuhälterei.

Bereits 1902 gründeten Bordellinhaber in Halle/Saale den Verein „Zufriedenheit“, in anderen Städten folgten ähnliche Gründungen oft unter den Namen eines Sparvereins oder Kegelclubs. Da gab es bsp. den Hannoveraner Sparclub „Treue“, den Dresdner Sportverein “Deutsche Eiche“ und den „Spar- Gesellschafts-, und Kegelclub Fidelio“ auf St. Pauli. In der Regel waren nur Männer Mitglieder.  Der Berliner Unterweltverein „Immertreu“ beherrschte die ganze Gegend um den damaligen Schlesischen Bahnhof und verlangte von den Gewerbetreibenden des Rotlichtmilieus, wie auch von Anderen, Schutzgelder.  1926/7 bildeten sich als übergeordnete Zusammenschlüsse u.a. der „Mitteldeutsche Ring“ mit 21 Vereinen in 10 der größeren Städte Deutschlands, wobei Leipzig, Hannover und Chemnitz mit einer Vielzahl von Vereinen, wie  „Die Unken“, „Unter Uns“ und „Rotschwänzchen“ vertreten waren.

Ein gewisser Anteil aus den Einnahmen der Prostitution und anderen Geschäften floss in die gemeinsame Clubkasse, aus der in Not geratene Mitglieder unterstützt, Anwälte finanziert und geschlechtskranke Frauen versorgt wurden. Hauptaufgabe dieser Vereinigungen war es durch Selbstorganisation konkurrenzfähig zu bleiben und auf dem Markt zu expandieren und sich gegen staatliche Restriktionen, auf Behördenebene und seitens der Sittenpolizei zu schützen. In Hamburg St. Pauli in der Sophienburg an der Ecke Reeperbahn/Detlev-Bremer-Straße (früher Sophienstraße}traf sich ab 1926 der „Spar- Gesellschafts-und Kegelclub Fidelio“. Die Zunft der Einbrecher organisierte sich im „Boxclub H.i.H.“, der aber anders als in Berlin, mit dem Rotlichtmilieu vernetzt war, so wurden z.b. legale Arbeitsverhältnisse wie Portier und Kellner an Mitglieder weitervermittelt, während Personen des gleichen Berufsklientels, die als informelle Zuträger an die Polizei bekannt waren durch handgreiflichen Druck in die Arbeitslosigkeit gedrängt wurden.  Mitte der 20er Jahre lud der St.Pauli Verein „Fidelio“ zu einer überregionalen Feier zu der über 1500 Zuhälter aus ganz Deutschland erwartet wurden. Diese wurde allerdings durch die Polizei verhindert indem sie im Vorfeld 17 Mitglieder des Vereins verhaften ließ, denen 1927 der Prozess gemacht wurde. In die Öffentlichkeit traten diese Vereine in Hamburg verstärkt in den Jahren zwischen 1920-1925 auf. Ab 1925 begann die Polizei verstärkt gegen die halböffentlichen und halblegalen Vereinsstrukturen vorzugehen und 1927 soll es der Hamburger Polizei gelungen sein einen Teil der internen Organisationsstruktur der Vereine auf überregionaler Ebene aufzudecken.

„Während des Krieges war das Zuhältertum, wie in den meisten Großstädten, so auch in Hamburg, erheblich zurückgegangen. In der Nachkriegszeit nahm es aber wieder zu, um sich dann namentlich nach der bis Ende Juni 1922 durchgeführten Aufhebung der Bordelle und während der Inflationsjahre besonders stark auszudehnen. Die Zuhälter schlossen sich sogar in Clubs zusammen, deren Hauptzweck war, ihren in finanziellen Bedrängnis geratenen Mitgliedern Geldunterstützungen zu gewähren, ihnen in Strafsachen Anwälte zu stellen usw. War schon früher die Bekämpfung des Zuhältertums mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft, so steigerten sich diese ganz bedeutend, als mit der Aufhebung der Bordelle die Dirnen sich über einen großen Teil  der inneren Stadt und besonders auch über St. Pauli und St. Georg verbreiteten und dann auch den Zuhältern ihr Gewerbe außerordentlich erleichterten.“

Quelle: Hamburgischer Correspondent Nr.: 395Mo, 2 Beilage, Seite1 / 26.8.1926  „ Der Kampf gegen die Unzucht“

Die Hamburger Sittenpolizei nahm 1924 171 Personen wegen Zuhälterei fest, 1925 – 288 Personen und 1926 bereits 314. Vor allem ab der Zeit nach dem 1. Weltkrieg entstanden in den Städten eine Vielzahl von Gaststätten, Nachtlokalen, wo Betreiber und Publikum es mit den bestehenden Gesetzen nicht so genau nahmen. , so z.b. Nachtlokale, wo verbotene Nackttänze gezeigt wurden. Zu einem solchen Betrieb gehörte damals ein „Lotse“ der auf der Straße vermeintliche Kundschaft ansprach und sie bei Interesse zu einem Haus führte, wo der „ Spanner“ den Gast übernahm und ihn dann zur Wohnungstür brachte, wo der Besucher vom „Geschäftsführer“ eingelassen wurde. Für den Schlepper bezahlte der Kunde beispielsweise 8,50 RM und für den Eintritt 20RM und ein obligatorisches Glas Wein für weitere 10 RM, bis er dann in einem abgedunkelten Zimmer zu Grammophonklängen z.b. einer nackten Frau beim Tangotanz zuschauen durfte  Unter ähnlichen Verhältnissen werden wohl auch die frühen Pornofilmvorführungen stattgefunden haben. In den späten 20ern, in den Inflationsjahren, lohnte sich das Geschäft mit Nachtclubs, Nachtvorführungen etc. besonders. Vor allem Ausländer mit ihrer vergleichsweise harten Landeswährung nutzten das Preis- Leistungsgefälle im Bereich der nächtlichen Vergnügungen. In vielen dieser Nachtlokale die es mit der amtlich verordneten Speerstunde nicht so genau nahmen, hatten sogenannte „Ringvereine“ ihren Standort. In der Regel Zuhälterorganisationen, die ihre Einkünfte aus der Prostitution, dem Rauschgifthandel und dem Glücksspiel bezogen. In Sitte und Gebräuchen taten es diese Ringvereine der bürgerlichen Welt nach und zu denen von ihnen arrangierten Tanzfesten und Vergnügungen erschienen die Herren im Smoking und die Damen in dementsprechender Mode

Bis zur ersten Hälfte der 20er Jahre wurden solche Lokale oftmals geduldet und erst später ging man dann, beispielsweise in Berlin, mit Beamten der „Theaterpolizei“ und der „Zentralstelle zur Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild“ gegen derartige Lokalitäten vor. Eine umfassende Kontrolle gelang der Polizei zu dieser Zeit allerdings nicht. So gab es z.b. Wohnungsinhaber, die ihre Wohnung kurzfristig, mittags oder abends vor dem Nachtbetrieb für eine Nacht an einen  „Unternehmer“ vermieteten. Dieser richtete die Räume dementsprechend ein und gegen ca. 1 Uhr Nachts fand er sich mit seinem Personal ein. Dazu gehörten Kellner, Schlepper, Spanner, Musiker und Tänzerinnen.

„In den Jahren zwischen 1925 und 1932 waren, wie vielen alten Kriminalisten noch bekannt ist, die Ringvereine so stark geworden, daß sie zu einer besonderen Bedrohung der öffentlichen Ruhe und Ordnung wurden. Sie scheuten sich nicht mehr, offen hervorzutreten, und es kam vor, daß bei der Beerdigung eines Vereinsmitgliedes sowohl die Vereinsmitglieder selbst wie auch die befreundeten Vereine in großer Aufmachung an der Beerdigung teilnahmen und die Vereinsfahnen entfalteten. Die Vereinsmitglieder fuhren in Kraftwagen vor, und es war sogar häufig der Fall, daß bei besonderen Gelegenheiten, wie Stiftungs- und sonstigen Vereinsfesten, angesehene Rechtsanwälte, Geschäftsleute u. a. teilnahmen, die in Ausübung ihres Berufes mit den Vereinen oder einzelnen ihrer Mitglieder in Verbindung standen. Auf der anderen Seite war die Rivalität unter den Vereinen so gestiegen, daß es zu gegenseitigen Überfällen auf einzelne Mitglieder wie auch auf Vereinslokale kam, also auf die Lokale, in denen sich die Mitglieder regelmäßig trafen.“

(Bartsch Georg, 1956 : S.80  „Prostitution, Kuppelei und Zuhälterei“, Verlag Deutsche Polizei GmbH, Hamburg)

Bis 1933 gab es in Deutschland etwa 100 Vereine mit ca. 5000 Mitgliedern. Bei einem Großteil dieser Vereine handelte es sich um reine Zuhälterclubs, während in Berlin die Konkurrenz zu anderen Unterweltvereinen weiterhin bestand. Während der Weimarer Republik gelang es der Polizei nicht die „Schweigesolidarität“ des Milieus zu durchbrechen. Durch eine Ausweitung der Kompetenzen der Kripo nach 1933 weit über den rechtsstaatlichen Rahmen hinaus (dies wurde als vorbeugende Verbrechensbekämpfung bezeichnet) wurden viele Ringvereine brutal zerschlagen und 1934 offiziell verboten. Nach einem Runderlass von 1938 wurden viele Zuhälter ins Konzentrationslager überführt. Inwieweit sich diese Ringvereine in der Weimarer Republik auch politisch positionierten ist aus den eingesehenen Quellen nicht zu ersehen.

Im Arbeiterstadtteil St. Pauli wurde traditionell links gewählt und es scheint zumindestens zum Ende der Weimarer Republik auf der unteren Ebene zwischen kriminellen und politischen Organisationsprinzipien gewisse Ähnlichkeiten gegeben zu haben. Anfang der 1930er  entwickelten sich innerhalb der kommunistischen Arbeiterschaft Tendenzen, die seitens der Kriminalpolizei dem Bereich der gewöhnlichen Kriminalität zugerechnet wurden. 1931 wurden eine Mehrzahl von Wettbüros, Banken und anderen Geschäften von kommunistischen Arbeitern aus dem Umfeld des seit 1929 verbotenen Rotfrontkämpferbundes überfallen. Teile der aktiven Basis hatten sich zu „Selbsthilfegruppen“ zusammengeschlossen um wegen der wirtschaftlichen Not und der sich zuspitzenden politischen Situation, Lebens- und Geldmittel zu organisieren.

„Bemerkenswert ist nun, dass es sich bei den inzwischen ergriffenen Tätern durchweg um Personen handelt, die nach eigener Bekundung der kommunistischen Partei angehören bzw. mit den Kommunisten sympathisieren. Etliche sind Mitglieder eines Sportclubs. Von ihnen ist bekannt, dass sie Mitglieder der Sektion „Rote Marine“ des verbotenen Rotfrontkämpferbundes sind. In einem kommunistischen Verkehrslokal, der Gastwirtschaft Gericke, wurden unter dem Fußboden versteckt größere, aus einem Raubüberfall stammende Gelder gefunden. Als festgestellt muß gelten, dass es sich bei den Tätern um gleichgesinnte Leute handelt. Nach eigenen Bekundungen festgenommener Personen waren geraubte Gelder „für das Proletariat“ bestimmt. Es sind auch Gelder zur Unterstützung in Haft befindlicher Kommunisten verwendet worden.“

Aus einer amtlichen Bekanntgebung der Hamburger Kriminalpolizei vom 14. Oktober 1932  Zitat aus:  Ebeling Helmut, 1980 „Schwarze Chronik einer Weltstadt – Hamburgs Kriminalgeschichte 1919-1945“, Ernst Kabel Verlag, Hamburg, Seite 317/318


Amelunxen Clemens, 1967, „Der Zuhälter – Wandlungen eines Tätertyps“, Kriminalistik – Verlag Hamburg

Barth Ariane, 1999,„Die Reeperbahn“, Spiegel- Buchverlag, Hamburg

Detlefs Gerald, 1997, „Frauen zwischen Bordell und Abschiebung“, Roderer Verlag, Regensburg

Fock Jürgen, 1965, „Das Problem des Zuhältertums“, Inaugural-Dissertation, Universität Berlin

Freund-Widder Michaela, 2003, „Prostitution und ihre staatliche Bekämpfung in der Freien und Hansestadt Hamburg vom Ende des Kaiserreichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik“, Lit-Verlag, Münster

11
Feb
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Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung und das Prostitutionswesen

Bei der Reichstagswahl 1928 stimmten in St. Pauli 37% für die SPD, 30% für die KPD und 3% für die Nazis. Die Hamburger Bürgerschaftswahl von 1931 brachte der KPD ihr bestes Ergebnis in der Weimarer Republik: 169.000 Stimmen – 21,9%. Da der politische Kampf aufgrund der Erfahrungen nach dem 1. Weltkrieg und der Vorgaben der Komintern  weiterhin hauptsächlich gegen die SPD gerichtet blieb, war ein gemeinsames politisches Konzept aller antifaschistischen Kräfte so gut wie unmöglich. 1933 stimmten 24% für die SPD, 32% für die KPD und 35% für die Nazis.

1930 hatte die Polizei in Hamburg 209 Versammlungen und Demonstrationen zu überwachen. 1931 waren es bereits 1341 Versammlungen und 706 Demonstrationen. 1932 wurden 5920 politische Veranstaltungen überwacht, bzw. begleitet und im Zusammenhang mit Demonstrationen, Saalschlachten und Straßenunruhen waren 2936 Festnahmen wegen Körperverletzung erfolgt. 1931 wurde Ernst Henning, ein KPD-Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft von Mitgliedern der SA erschossen. 4 Tage später kam es zu Schlägereien auf der Bürgerschaftssitzung in dessen Folge mehrere Mitglieder der nationalsozialistischen Fraktion zusammengeschlagen wurden, woraufhin alle 10 KPD-Abgeordnete einen Monat von Parlamentssitzungen ausgeschlossen wurden. Am Tag der Beerdigung kam es in Barmbek zu schweren Unruhen bei denen die Polizei von der Schusswaffe Gebrauch machte. Die politischen Straßenkämpfe gipfelten am 17. Juni 1932 im sogenannten „Altonaer Blutsonntag“ An diesem Tag wollten die Nazis eine ca. 7000 Mann starke Demonstration durch die traditionell kommunistisch und sozialdemokratisch geprägten Stadtteile Altona und St. Pauli durchführen. Im Arbeiterrevier nahe der Grenze zu St.Pauli kam es zu schweren Auseinandersetzungen bei denen auch Schusswaffen eingesetzt wurden, woraufhin die Polizei ihrerseits unverhältnismäßig von der Schusswaffe Gebrauch machte. Resultat: 60 Verletzte, 18 Tote, darunter zwei SA-Männer, drei Kommunisten und 13 Passanten. Diese bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen lieferten dem Reichskanzler Franz von Papen den Vorwand, die von den Sozialdemokraten mitgebildete preußische Regierung aufzulösen, womit der NSDAP politisch der Weg frei gemacht wurde.


Die Sozialdemokratie in Deutschland des 19. Jh. und jungen 20. Jh. definierten die Prostitution, wie auch im kommunistischen Manifest, als eine besondere Form gesellschaftlicher Ausbeutung bei der das Proletariat das Angebot stellte und die Nachfrage von der Bourgeoisie bestimmt wurde. Diese vereinfachende Perspektive des Klassenkampfes wurde von dem französischen Historiker Alain Corbin (geb. 1936) und dem deutschen Schriftsteller Hans Ostwald (1873-1940) differenzierter dargestellt. Sie wiesen nach, dass die Nachfrage nach Prostituierten auch in der Arbeiterschaft bestand; bei ledigen männlichen Arbeitern, Wandergesellen, Seeleuten, Soldaten und jungen Leuten. Die beiden sozialistischen Theoretiker Marx und Engels nahmen die damalige Vorstellung von der kriminellen Unterwelt auf und fügten sie unter der Begriffsbildung „Lumpenproletariat“ in ihr theoretisches Bezugssystem ein.  Erst nach den Zeiten der Pariser Kommune von 1871 begannen anarchistische Theoretiker wie Michail Bakunin,- und auf der anderen  Seite die Polizei – die Kriminalität als Verbündete der Revolution zu betrachten.  In einer Schrift um die Jahrhundertwende, nach Abschaffung der Sozialistengesetze, wird das Schreckensgespenst eines gemeinsamen Umsturzes von Sozialisten, Zuhältern und Kommunisten entworfen:

„Prostitution und Zuhälterthum in der jetzigen Lebensweise, in der jetzigen Regelung ihrer Verhältnisse sind Vorstufe und Durchgangsstufe zum gemeinen Verbrechen. (…) Wie sehr aber Prostitution und Verbrecherthum in Berlin mit einander verquickt sind, das kann man daran beurteilen, dass beide dieselbe Sprache sprechen, dieselbe ursprünglich aus dem Hebräischen stammende, theils verdeutschte, theils mit deutschen Zusätzen versehene rühmlichst bekannte Berliner Verbrechersprache. Das ist die sociale Gefahr, von der wir sprachen. Daneben steht noch eine social-politische. Denn wenn einmal eine Zeit der schweren Noth hereinbrechen sollte, dann werden wir die ungezügelte Prostitution, diese tausende von vagabondierenden Zuhältern auf der Seite der Umstürzler finden, und sie werden fürchterliche Gegner sein, nicht wegen ihrer Tapferkeit, wohl aber wegen ihrer Blutgier und Verthierung, und noch weit mehr wegen der maßlosen Aufhetzung, mit der sie sich allen Kreisen aufdrängen werden, welche ihnen irgendwie zugänglich sind.“

Aus dem Pamphlet einer Gruppe „Hamburger Männer“ um die Jahrhundertwende,  Zitat aus: Evans Richard J., 1997 : 271

Im Hamburger Echo, dem Kampfblatt der Sozialdemokraten, die kulturpolitisch überwiegend auf das bürgerliche Lager ausgerichtet waren, findet sich zwei Jahrzehnte später ein kleiner Artikel aus dem hervorgeht, dass die Kommunisten und die linksradikale USP sich im Rotlichtmilieu engagierten. So wurde im Zuge der sexualreformerischen Bestrebungen dieser Jahre, 1920 eine Interessenvertretung der Prostituierten mit dem Publikationsorgan „Der Pranger“ gegründet.

„Wenn gestern, angeblich auf Anregung der Prostituierten eine von Ehrenfried Wagner (USP) und der Kommunistin Guttmann einberufene Versammlung ( es waren etwa 100 Vertreter von öffentlichen Häusern anwesend) der unter ärztlicher Sittenkontrolle stehenden weiblichen Personen stattfand. So geschah dies, um die wirtschaftliche und soziale Not der in diesem „Beruf“ stehenden Personen zu mildern gegen die Schikanen der Polizeiorgane und die Ausbeutung der Bordellwirte. Man stellte verschiedene Forderungen auf, wie Tarife für das Logis bei ganzer und halber Miete, Beseitigung des Bierzwanges und des Türanzeige, Aufhebung des Verbots zum Theaterbesuch und des Betretens gewisser Straßen, bessere Behandlung in Krankenhäusern, u.v.m.. Zur Durchsetzung dieser Forderungen will man sich in einer Organisation zusammenfinden, und letztere durch kleine monatliche Beiträge finanzieren. Jede Straße wählt eine Vertrauensperson, die die Beschwerden der Organisation unterbreitet, welche dann zunächst versuchen wird durch gütliche Verhandlungen mit der Polizeibehörde oder den Bordellwirten aus der Welt zu schaffen. Sofern jedoch dadurch keine Abhilfe erreicht wird, soll jeder einzelne Fall von Schikane oder Ausbeutung in einem besonderen Organ, „Der Pranger“ publiziert werden.“

Hamburger Echo/Nr.12 Ab/8.1.1920

Der „Pranger“ wurde bereits am 20.2.1920 verboten. Das „Hamburger Echo“ (HE/85Mo/20.2.20) schreibt hierzu: “…Dieses Blatt “Der Pranger” aber, hat in geradezu skandalöser Weise die betont schmutzigsten Dinge ins Volk getragen, hat bewusst auf die niedrigsten Triebe eingewirkt. (…)
Das Verbot ist ohne weiteres gerechtfertigt, mit menschlich erstrebenswerten Zielen, mit sozialistisch-kommunistischer Gesinnung hat, was in diesem Dreckfetzen stand, nichts gemein.“

 

Ehrenfried Wagner war der leitende Redakteur der USP-nahen Hamburger Volkszeitung und musste im Herbst 1919 wegen seiner kritischen Artikel zum Reichswehreinsatz im Juli 1919 für 6 Wochen ins Gefängnis. Danach gründete er mit Ketty Gutmann den „Pranger“ als Gewerkschaftsorgan der Hamburg-Altonaer Kontrollmädchen. In der Publikation wurde weitergehend die freie Liebe und die Sexualrevolution propagiert. Beide gehörten 1921 zu den 17 Mitgliedern der kommunistischen Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. Jahre später wurde Ketty Gutmann wegen ihrer Broschüre „Los von Moskau!“ als „Antiautoritäre“ aus der KPD ausgeschlossen.

Im gleichem Jahr heißt es bei dem Artikel „Zum Kampfe gegen die Bordelle“:


„…Es handelt sich hier um eine große soziale Tat, für die unsere Partei des Dankes aller derjenigen Männer und Frauen gewiß sein kann, die den Kampf gegen  die gewerbsmäßige Unzucht im neuzeitlichen Geiste führen. Es ist kein Zufall, dass auch die russische Sowjetregierung nach dem Berichte von Goldschmidt in seinem Moskauer Tagebuch vom Mai dieses Jahres das Bordellunwesen in Russland rücksichtslos ausgerottet hat, und mögen wir auch sonst durchaus nicht mit allen Sowjetmethoden aus wohlberechtigten Gründen übereinstimmen, in diesem Punkte müssen wir das Vorgehen der Bolschewisten anerkennen und uns zum Vorbild nehmen“

Hamburger Echo, 429Ab, vom 14.9.1920

Wie aus den Texten und speziellen Formulierungen der letzten Artikelschreiber hervorgeht, gab es im Gegensatz zur Darstellung konservativer Kreise keineswegs eine Allianz zwischen Prostitution und linksgerichteter Politik, oft waren sie vielmehr erbitterte Gegner. Die Sozialdemokratie nahm das Hamburger Bordellwesen oft zum Anlass um gegen die Prostitution zu Felde zu ziehen und um im Reichstag gegen die Politik der Ausbeutung und die herrschende Doppelmoral zu polemisieren, wobei die Interessenlage der Prostituierten nicht berücksichtigt wurde. Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass vor allem in den Gängevierteln die sozialen Milieus der Arbeiter, Gewerbetreibenden und der Prostituierten vernetzt waren.

Gegner des Hamburger Bordellsystems und auch oft der Sittenpolizei waren verschiedene Frauenvereine, vor allem der 1899 gegründete „ Hamburger-Altonaer-Zweigverein der Internationalen Abolitionistischen Föderation“, die seit 1911 bestehende, religiös geprägte Mitternachtsmission und die Sozialdemokratie. Der sozialdemokratische Abgeordnete für den Hamburger Wahlkreis August Bebel, brachte das Hamburgische Bordellwesen und den Frauenhandel wiederholt im Reichstag zur Sprache. 1895 hatte dies die Ausweisung zahlreicher Ausländerinnen aus den Bordellen zur Folge. Nach dem 1. Weltkrieg und den stattgefundenen politischen Umwälzungen erlangte die sozialdemokratische Partei großen Einfluss im Hamburger Parlament und Regierung. Zum ersten Mal zogen Frauen in die Hamburger Bürgerschaft ein. Damit gewannen diejenigen politischen Kreise an Einfluss, die jahrelang das Bordellsystem entschieden bekämpft hatten.

Ebeling Helmut, 1980, „Schwarze Chronik einer Weltstadt – Hamburgs Kriminalgeschichte 1919-1945“, Ernst Kabel Verlag,

Evans Richard J, 1997, „Szenen aus der deutschen Unterwelt“, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg

Pelc Ortwin, 2002, „Hamburg, die Stadt im 20.Jh.“, Convent-Verlag, Museum f. Hamburgerische Geschichte

Sigmund Monika, Renate Kühne, Gunshild Ohl-Hinz, Ulrike Meyer, 1996, „ Man versuchte längs zu kommen und man lebt ja noch – Frauen-Alltag in St. Pauli in Kriegs- und Nachkriegszeit“, St. Pauli-Archiv, Druckerei in St.Pauli, Hamburg

Urban Alfred, 1927, „Staat und Prostitution in Hamburg“, Verlag Conrad Behre, Hamburg

Die Schließung der Bordelle – Gesetzesnovelle und Datenerfassung

Mit der Etablierung der Weimarer Republik forderte 1921 der Reichstag alle im Deutschen Reich noch bestehenden Bordelle zu schließen und die Kasernierung zu beenden. Auch in Hamburg empfahl eine extra dazu eingesetzte Kommission die Schließung der Bordelle. In einem Bericht des Bürgerausschusses aus dem Jahr 1921 zum hamburgischen Prostitutionswesens wurde festgestellt, dass sich nur ein geringer Teil der gewerbsmäßigen Unzucht in den Bordellen vollziehe, der Polizei aber mehr als 1000 Kupplerquartiere bekannt seien, vor allem in den Straßen rund um den Hauptbahnhof und in St. Pauli. Im gleichen Jahr wurde dann in der Bürgerschaft ein Antrag angenommen, dass der Senat zu ersuchen sei keine Neueinschreibungen unter Kontrolle stehender Prostituierter mehr zu genehmigen und die Bordelle baldmöglichst polizeilich schließen zu lassen. Im Juni 1922 wurden dann die letzten Bordelle offiziell geschlossen. Die Bordellstraßen wurden umbenannt und die freigewordenen Bordelle zur normalen Vermietung freigegeben, einige hingegen wurden zu „Restaurants“ und „Pensionaten“ umbenannt.

Nach einer  Statistik der Hamburger Sittenpolizei aus dem Jahr 1920 gab es insgesamt 116 Häuser mit über 800 Zimmern in denen durchschnittlich 550 bis 600 “Insassen” zugegen waren. Der Wert der Hamburger Bordell-Häuser wurde vor dem ersten Weltkrieg auf 6 Millionen Reichsmark geschätzt. In Altona gab es die Bordellstraßen Peterstraße und Kleine Marienstraße mit insgesamt 26 Häusern und 260 Insassinnen. Nach einer Umfrage des Frankfurter Statistischen Amtes aus dem Jahr 1919 wurde die Zahl der geheimen Prostituierten in Altona auf 500 geschätzt.

Die unter strenger Kontrolle stehenden Prostituierten verteilten sich über folgende Bordelle:

Brunnenstraße                        2 Häuser   –     7 Zimmer
Heinrichstraße                       21 Häuser  –     117 Zimmer
Hinter der Markthalle         4 Häuser   –     20 Zimmer
Klefekerstraße                       16 Häuser   –     130 Zimmer
Neue Springeltwiete           11 Häuser  –     119 Zimmer
Schützenstraße                     14 Häuser   –     138 Zimmer
Schwiegerstraße                  17 Häuser  –      80 Zimmer
Ulricusstraße                        31 Häuser   –      210 Zimmer

Quelle: Knack U.B., 1921: 9

Der Senat schloss als erstes die Bordelle in den Straßen „Hinter der Markthalle“ und einen Teil der Häuser in der Klefekernstraße und in der zweiten Brunnenstraße. Bereits einen Monat später, im August `21, beschwerten sich die Geschäftsleute der Klefekernstr., der Wexstr., Brüderstr. und des Trampgangs über die Zustände im Inneren der Neustadt, da die vormals bordellierten Frauen ihr Geschäft nun auf der Straße betrieben und die Straßen das Bild „öffentlicher Bordellstraßen “ angenommen hätten. Frauen von Anwohnern wurden von der männlichen Klientel der Prostituierten belästigt und die Kundschaft der regulären Läden blieb zunehmend aus. Um die Schließung weiterer Bordelle zu verhindern organisierten die Geschäftsleute im September `21 eine öffentliche Versammlung zu der ca. 500 Ladenbesitzer, Handwerker, Zimmervermieter und Prostituierte erschienen. Während die Ladenbesitzer eine Verschlechterung des Straßenbildes und Umsatzeinbußen befürchteten, war der Protest der „Kontrollmädchen“ von anderen Sorgen getragen. Während der Nachkriegszeit herrschte eine extreme Wohnungsnot und viele Prostituierte mussten damit rechnen entweder kein neues Zimmer zu finden oder völlig überzogene Mieten zahlen zu müssen. 153 Frauen der Bordelle der Schwiegerstraße und der Ulrikusstraße, die zum Dezember 1921 geschlossen werden sollten, richteten Petitionen an den Senat um den Termin der Schließung zu verschieben, da sie sonst befürchteten zum Winter mittel- und obdachlos zu werden. Sie betonten ihrerseits, dass sie in den Bordellen weitaus preiswerter leben konnten als außerhalb in privaten Wohnungen, da die Vermieter sie entweder ablehnten oder extrem überhöhte Mietpreise verlangten. Die Häuser in der Schwieger- und Ulrikusstraße wurden trotzdem zum Dezember `21 geschlossen, während man bei den anderen Bordellen den Termin wegen der Wohnungsnot hinauszögerte. Im Juli 1922 wurden auf Beschluss der Bürgerschaft und des Senats und unter dem Druck der Öffentlichkeit – gegen den Willen der Polizeibehörde, des Gesundheitsamtes und des Wohnungskommissars – alle Bordelle in der Schützen, Heinrich und Klefekernstraße , sowie der Springeltwiete geschlossen.

Mit der Schließung wurden die ehemaligen Bordellstraßen gleichzeitig umbenannt. Aus der Schwiegerstraße wurde der Kalkhof, aus der Ulrikusstr. die Winkelstraße, die Schützenstr. wurde zum Johanniswall, die Klefekernstr. zur Mauerstraße und die Heinrichstraße zur Herbertstraße. Die Vorschriften der Sittenpolizei verloren mit der Schließung der Bordelle ihre Gültigkeit, da die Frauen somit keiner Wohnungsbeschränkung mehr unterlagen. Es war ihnen von da an erlaubt Cafes, Restaurants, Theater und den Zirkus zu besuchen, Während ihnen vorher fast alle Hauptverkehrsstraßen verboten waren, konnten sie jetzt die Straßen, mit Ausnahme des Jungfernstiegs und den Straßen in der Umgebung des Hauptbahnhofes, betreten. Außerdem wurden die medizinischen Untersuchungseinrichtungen erweitert, da die Untersuchungen nicht mehr in den Bordellen durchgeführt werden konnten. Im Juli 1921 hatten 1600 Frauen unter sittenpolizeilicher Kontrolle gestanden, davon hatten 560 Frauen in einem der 800 Zimmer in den 114 Bordellen in den 8 von der Polizei freigegebenen Bordellstraßen gewohnt. Die anderen 1040 Frauen hatten bereits in Privatwohnungen, verstreut im Stadtgebiet, gelebt. Nach der Auflösung der Bordelle mussten sich die 560 Frauen privat Zimmer suchen und gingen ihrem Geschäft in der Regel auf der Straße nach, wobei sich eine Konzentration in den Stadtteilen St. Georg, St. Pauli und dem Gängeviertel zeigte, was die Möglichkeiten der Zimmervermietung, vorhandene Absteigen und der Straßenprostitution betraf. 1925 kamen ca. 250 Prostituierte auf 1100 Familien im Gängeviertel.

Die Bevölkerung des Gängeviertels ist sehr gemischt. Zu einem geringen Teil ist noch eine bodenständige Arbeiterbevölkerung vorhanden, die, am Hafen beschäftigt, von alters her dort wohnt und infolgedessen mit den bescheidenen Wohnverhältnissen zufrieden ist, da sie die Vorteile des kurzen Weges zur Arbeitsstelle in Rechnung zieht. Diese Bevölkerungsschicht nimmt jedoch mehr und mehr ab, da sie von anderen, weniger soliden verdrängt wird und nach dem Ausbau der Verkehrsanlagen die Möglichkeit hat, bessere Wohnquartiere in den äußeren Stadtteilen zu beziehen. Was übrig bleibt, ist eine äußerst zahlungsschwache Mieterschicht, die sich in vielen Fällen durch Beherbergung der nach  Aufhebung der Bordelle heimlosen Prostitution einen Nebenerwerb mancherlei Art verschafft. Diese Entwicklung ist so stark geworden, dass ein Teil der Gänge ganz den äußeren Eindruck minderwertiger Bordellstraßen macht. (…) Eine weitere Schicht der Bewohnerschaft bilden die zugewanderten Familien, die die heute erforderliche Wartezeit bis zur Beschaffung einer Wohnung durch das Wohnungsamt noch nicht erfüllt haben und nun in diesen Wohnungen, die von den Hamburger Wohnungssuchenden verschmäht werden und zur freien Vermietung kommen, unterzukriechen. Hier spielt das Gängeviertel also die Rolle eines fragwürdigen Privataspiz für Obdachlose. Nehmen wir hierzu noch die Tatsache, dass das winkelige und dunkle Gängeviertel willkommener Unterschlupf für die Verbrecherwelt bietet, so haben wir das Nachtstück einer Großstadtentwicklung vor Augen, wie wir es uns trüber kaum denken können. Es wird eine Aufgabe der nächsten Zukunft sein, auch diesen letzten Teil des Sanierungsprogramms vom Jahre 1897 möglichst schnell zu erledigen. Die Lösung der Frage, wo die sozial äußerst schwierige Bewohnerschaft unterzubringen ist, wird den Staat vor soziale Aufgaben stellen, wie er sie in diesem Umfange noch nicht zu lösen hatte, da Gesetzgebung und allgemeine Anschauung heute anders sind als bei Inangriffnahme des Sanierungswerkes und es sich hier um Beseitigung der letzten Insel und Zufluchtstätte meist asozialer Elemente im Herzen der Großstadt handelt.“

Quelle: Hamburger Correspondent Nr.1 1.1.1928,   „Das Hamburger Gängeviertel – Ein sozialer Fremdkörper in der Millionenstadt“  „Ein fragwürdiges Wohnquartier“ von Oberbaurat Peters

Nachdem der Zwang in einem Bordell zu wohnen nicht mehr bestand, ließen sich immer mehr Frauen bei der Sittenpolizei registrieren. Im Juli 1921 waren 560 Frauen eingeschrieben, 1923 bereits 1300 und 1924 – 2000, bis sie mit 2400 registrierten Frauen anfangs 1926 ihren „offiziellen“ Höchststand erreichte. Die Zahl der männlichen Prostituierten wurde auf 1500 geschätzt. 1923 griff die Sittenpolizei 4.078 Männer auf,  von denen 1512 an einer Geschlechtskrankheit litten. 1924 wurden 3554 Männer aufgegriffen von denen 1593 erkrankt waren. Für männliche Prostituierte gab es keine gesetzlichen Bestimmungen. Sie wurden nicht in Listen registriert und mussten sich nicht regelmäßigen Gesundheitskontrollen unterziehen. Das sich innerhalb von 4 Jahren die Zahl der weiblichen Prostituierten um das vierfache erhöht hat erklärt sich aus den Umstand, dass viele der Frauen, die vorher der heimlichen Prostitution nachgegangen waren, sich nun registrieren ließen. Andererseits war Hamburg während der Inflationsjahre, als Messe- und Konferenzstadt und als Hafenstadt, mit vielen  Ausländern und Seeleuten, die mit harter, inflationsresistenter Währung zahlten, auch Anziehungspunkt für viele Frauen aus dem Umland und anderen deutschen Regionen. Insgesamt 70% der Kontrollmädchen sollen von auswärts zugezogen sein.

„Man wird diese Zahl sicher für viel zu niedrig halten, wenn man einmal mit aufmerksamen Auge die Verhältnisse geprüft hat. Doch bei dem jetzigen System des frei-herum-laufen-lassens ist eine Ueberwachung und statistische Erfassung sämtlicher Prostituierten kaum möglich. (…) Aber reine Bahn und moralische Gesundung kann man nur dann schaffen, wenn auch die Fäulniserreger beseitigt werden. Fürsorgerische Maßnahmen werden gegenüber dem Dirnenunwesen nur zu einem kleinen Teil helfen. Verschiedene Kreise wünschen Zusammenarbeit des Pflegeamts mit dem Gericht und dem Arbeitshaus, andere wieder fordern eine verstärkte Straßenpolizei die dem Dirnenunwesen steuern soll.“

(Hamburger Correspondent/Nr.232Ab, S.4, 20.5.1925) „Die Prostitution in Hamburg“

Aufgrund der  zunehmenden Verschlechterung des Straßenbildes kam es im März 1925, unter der Leitung des evangelischen Landesverbandes der Inneren Mission, in den Räumen von Saegebiel zu einer Veranstaltung zum Thema „Prostitution und das Wohnungselend“ mit mehreren tausend Teilnehmern. Im gleichen Jahr setzte der Senat eine Kommission zur Prüfung der Frage der Neuregelung des Prostitutionswesens in Hamburg ein  Auch in der Bürgerschaft wurde die Prostitutionsfrage erneut zum Thema. Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich, wie schon 1921, gegen das System der Kasernierung, polizeilichen Überwachung und Bordellierung aus und befürwortete stattdessen gesundheitliche und fürsorgerische Maßnahmen. Ein Maßnahmenkatalog der Senatskommission setzte vordringlich darauf die Durchmischung von Prostituierten und „normaler“ Bevölkerung entgegenzuwirken, vor allem dort wo Familien und Kinder betroffen waren. Dabei unterschied die Sozialbehörde 3 Kategorien von Straßen: Straßen aus denen normale Haushalte vollständig ausquartiert werden sollten, um sie Prostituierten und Zuhältern zu überlassen. Straßen aus denen Familien mit Kindern ausquartiert werden sollten, kinderlosen Ehepaaren aber weiterhin das Wohnen erlaubt blieb und Straßen aus denen die Prostitution vollständig verdrängt werden sollte. Das Ziel war es alle Familien mit Kindern aus dem „sittlichkeitsgefährdeten Milieu“ umzusiedeln. Viele der Familien waren allerdings zu einem Umzug nicht bereit. Die soziale und berufliche Bindung an den Stadtteil und die niedrigen Mieten waren einige der Gründe, außerdem hatte sich das traditionelle Schläfgängertum, welches sich inzwischen immer mehr zur Zimmervermietung an Prostituierte gewandelt hatte, zu einer wichtigen Einnahmequelle vieler Familien entwickelt.

Nach dem §361 Nr.6 StGB nahm die Sittenpolizei Razzien vor allem in den Vierteln St. Pauli, St. Georg und in der Gegend um die Steinstr. und in der Neustadt vor. Im Jahr 1924 nahm die Polizei insgesamt 15.232 Frauen fest, davon 7.960 registrierte Prostituierte und 7.272 Frauen, die der heimlichen Prostitution verdächtigt wurden. Die Frauen wurden zunächst zur nächstliegenden Polizeiwache gebracht, wo eine Vernehmung durch die Sittenpolizei erfolgte. Wenn sie sich nicht ausweisen konnten oder der Verdacht der Prostitution oder auf eine Geschlechtskrankheit bestand, blieben sie in Arrest und wurden am folgenden Tag im Stadthaus zwangsweise auf Geschlechtskrankheiten untersucht und der Fürsorge des Pflegeamtes übergeben. Statt eine Strafe im Gefängnis anzutreten, hatten die Frauen die Möglichkeit sich „freiwillig“ der Aufsicht des Pflegeamtes zu unterstellen, wo dann, nach dem sogenannten „Bielefelder System“, die Resozialisierung und nicht die Bestrafung im Vordergrund stand. Mit dem Bielefelder System wurde die sittenpolizeiliche Kontrolle durch eine „Aufsicht und Erziehung“ der Frauen durch das Pflegeamt abgelöst. Die Kontrollbücher der Sittenpolizei wurden abgeschafft und 1926 wurden die Frauen aus der sittenpolizeilichen Kontrolle entlassen. Bei Frauen, die keinen Willen zeigten zu einem „gesitteten Lebenswandel“ zurückzukehren oder sich der Aufsicht entzogen, wurde die Haftstrafe vollzogen. Mitte der 20er Jahre verbüßten ca. 2000-2500 Frauen eine Strafe nach §361 Nr.6 StGB in den Hamburger Haftanstalten.

Dem Pflegeamt, dem in den 20er Jahren jährlich ca. 1200 „Pfleglinge“ von der Sittenpolizei und den Krankenhausabteilungen für Geschlechtskranke überwiesen wurden, standen eine Reihe von Häusern zur Verfügung. Nachdem die Frauen unter Aufsicht gestellt waren, entschieden die Fürsorgerinnen ob sie zurück zu ihrer Familie geschickt wurden, eine Arbeit vermittelt bekamen oder im Arbeitshaus 6 Monate zu arbeiten hatten. Das 1921 gegründete Pflegeheim in der Martinistraße war eines der moderateren Einrichtungen. Es wurde neben der Unterbringung, Verpflegung und Arbeitsvermittlung auch für ein kulturelles Begleitprogramm gesorgt, welches von Kinobesuchen, Singabenden bis zu Ausflügen reichte. Eine weitere Einrichtung war der „Louisenhof“ im  sogenannten Versorgungsheim in Farmsen. Es bestand aus zwei Baracken für bis zu 20 Frauen. Das ganze Areal war mit Stacheldraht eingezäunt und die Frauen waren dort unter strenge Aufsicht gestellt, sie durften sich auf dem Gelände nicht frei bewegen, es gab kaum Besuchsmöglichkeiten und persönliche Briefe unterlagen der Zensur. Die Frauen hatten dort einen mindestens 6-monatigen Arbeitsdienst zu verrichten. Wenn Frauen keine Einsicht zeigten und außerdem als „schwachsinnig und psychopathisch“ klassifiziert wurden, wurde oft ein Entmündigungsverfahren eingeleitet, womit diese Frauen dann völlig rechtlos der Vormundschaft der Fürsorge ausgeliefert waren.

Im Februar 1927 wurde das „Reichsgesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ verabschiedet. Mit diesem Gesetz hatte die Prostitution ihren Deliktcharakter verloren und war quasi erlaubt, ausgenommen in der Nähe von Schulen, Kirchen und Kindern allgemein. Die polizeiliche Reglementierung wurde durch eine Gesundheitskontrolle abgelöst und die Kasernierung ausdrücklich verboten. Die Verpflichtung sich bei vorliegender Geschlechtskrankheit untersuchen zu lassen, galt nun für jeden. In Hamburg existierten 1928 ganze fünf Fürsorgestellen für Geschlechtskranke, deren größte sich in der Gesundheitsbehörde am Besenbinderhof und im Krankenhaus St. Georg befanden. Beratung und Behandlung waren kostenlos. Zu den bisherigen Klienten kamen nun auch die Prostituierten hinzu. Die Kuppeleiparagraphen §180 und §181 StGB blieben im Inhalt gleich, demnach war der Unterhalt eines Bordells oder bordellartigen Betriebes strafbar. Doch trotz der endgültigen Schließung aller Bordelle im Oktober 1927 existierten sogenannte „Massagesalons“ und „Heilinstitute“ weiterhin.

Die wirtschaftliche Notlage während der Weltwirtschaftskrise und der damit zusammenhängende Anstieg der Straßenprostitution, gaben der Sittenpolizei Möglichkeiten ihren durch die neue Gesetzeslage verlorenen Kompetenzbereich wiederzugewinnen. Mit Hilfe des Paragraphen 22, dem sogenannten Verhältnisgesetz, konnten Personen die „die öffentliche Ordnung störten“ bis zu 24 Stunden festgenommen werden. Dieser Paragraph wurde zu einem Instrumentarium der Sittenpolizei um gegen die Straßenprostitution vorgehen zu können. Weitergehend setzte die Polizei ihre Vorstellung der Bekämpfung und Kontrollierung der Prostitution durch, indem sie ab 1930, entgegen der eindeutigen Gesetzeslage, wieder begann bestehende Bordelle stillschweigend zu dulden. Hamburg war aufgrund der wirtschaftlichen Lage zum ökonomischen Notstandsgebiet erklärt worden. In Hamburg wirkte sich die Weltwirtschaftskrise wegen der Auslandsabhängigkeit der Hamburger Hafenwirtschaft besonders stark aus. Die Krise führte zu einem Rückgang des deutschen Außenhandels von 1928 bis 1932 auf 60% in Bezug auf die Menge und 38% in Bezug auf den Wert. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Hamburger Arbeitslosen von 50.000 auf fast 165.000. Die meisten Erwerbslosen erhielten in Hamburg durch die Versicherung ein halbes Jahr etwa 40%, 1932 nur noch 20-30% ihres früheren Einkommens. Im Anschluss danach konnten sie bei nachgewiesener Hilfsbedürftigkeit ein Existenzminimum durch die kommunale Wohlfahrt erhalten.

Freund-Widder Michaela, 2003, „Prostitution und ihre staatliche Bekämpfung in der Freien und Hansestadt Hamburg vom Ende des Kaiserreichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik“, Lit-Verlag, Münster

Knack U.B., 1921, “Groß Hamburg im Kampfe gegen Geschlechtskrankheiten und Bordelle“, Verlagsanstalt Auer in Hamburg

Pelc Ortwin, 2002, „Hamburg, die Stadt im 20.Jh.“, Convent-Verlag, Museum f. Hamburgerische Geschichte

Urban Alfred, 1927, „Staat und Prostitution in Hamburg“, Verlag Conrad Behre, Hamburg

Zürn Gabriele, 1989, „Prostitution in Hamburg im „Dritten Reich“ 1933-1945“, Magisterarbeit, Universität Hamburg

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Hamburg und St. Pauli unter faschistischer Herrschaft

Durch das „Groß-Hamburg-Gesetz“ von 1937 verdoppelte sich die  Stadtfläche annährend und die Einwohnerzahl stieg um 40% auf ca. 1,7 Millionen. Altona und die Elbvororte, Wandsbek, Harburg und Wilhelmsburg wurden mit diesem Gesetz eingemeindet. Die enge Vernetzung der Gesundheitsbehörde, der Fürsorgeeinrichtungen und der Polizei lieferten einen umfangreichen Datenpool, der ab 1933 intensiv genutzt wurde. Schon vor 1933, aber spätestens mit der Machtübernahme der Nazis wurde die liberale Gesetzgebung demontiert und durch eine scharfe Reglementierung und Kasernierungspraxis ersetzt.

Es wurden verstärkt Razzien durchgeführt um das „Straßenbild zu reinigen“. Dabei erfolgten die Festnahmen oft nach der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom Februar 1933, die zur Verfolgung politischer Gegner des nationalsozialistischen Regimes vorgesehen war. Aufgrund dieser Verordnung war eine 90-tägige Haft möglich. Sie wurde auch gegen die Zuhältervereinigungen eingesetzt. Alleine im Zeitraum März`33 wurden 3.201 „unzuchttreibende Frauen“ verhaftet. Die Hamburger Polizei verwarnte die aufgegriffenen Frauen bei ihrer ersten Festnahme, beim zweiten Mal hatten sie mit 8 Tagen Haft zu rechnen und bei der dritten Festnahme innerhalb eines halben Jahres wurden sie mit 90 Tagen Haft bestraft. Trotz dieses gestaffelten Strafregisters hatte der Strafvollzug wegen Platzmangels bald keine Möglichkeit mehr die Frauen unterzubringen. Viele der inhaftierten Frauen wurden deswegen vorzeitig entlassen. 1934 vermeldete die Hamburger Kriminalpolizei eine Säuberung des Straßenbildes. Der Straßenstrich war verschwunden. Den durch die Gesetzesverschärfungen bedingten Anstieg von Polizeiaktivitäten führte dazu, dass die Frauen des Straßenstriches inzwischen in die schwerer zu kontrollierenden Lokale und Tanzcafes auswichen um dort ihrer Arbeit nachzugehen  Allerdings waren ab November 1939 auch Animiermädchen und Tanzdamen unter die laufende Kontrolle des Gesundheitsamtes gestellt. Das sexuelle Entertainment in den Varietes wurde wieder prüde verpackt. In einigen Varietes durften die Tänzerinnen zwar noch ihre Büstenhalter ablegen, durften dabei aber nicht mehr tanzen, sondern mussten, wie in der früh-wilhelminischen Ära, im Finale zum lebendigen Bild erstarren – ein Rückgriff zu der Tradition der „tableaux vivants“.

Im gleichem Jahr (1933) in dem das Gängeviertel zwischen der Kaiser-Wilhelm-Str., den Kohlhöfen und der Wexstraße, das als „Schlupfwinkel“ für Prostituierte galt, abgerissen wurde, hatte die Hamburger Polizei die kasernierte Prostitution wiedereingeführt. Drei Straßen, der Kalkhof und die Winkelstraße (17 der 25 dort stehenden Häuser gehörten der Hamburger Finanzbehörde) in der Innenstadt und die Herbertstraße in St. Pauli wurden zu reinen Bordellstraßen umfunktioniert. Diese Straßen wurden mit Toren, die gleichzeitig als Sichtblende und als Sperre für den Durchgangsverkehr funktionierten, versehen. Männer durften dort nicht arbeiten und Zuhältern war der Zutritt und der Kontakt mit den Frauen verboten. Die Stellen der vorgesehenen Reinigungskräfte, der Pächter und Wirtschafter wurden ausschließlich mit über 25-jährigen Frauen besetzt. Bei zwei weiteren Straßen, dem Grützmachergang in St. Georg und den östlichen Teil der Maurerstraße in der Innenstadt, wurden aufgrund der Widerstände von betroffenen Bewohner und des Hamburger Fürsorgewesen die Bordellstraßenplanung wieder rückgängig gemacht. Die dort lebenden Prostituierten mussten bis zum Sommer 1935 ausziehen. Im November 1934 waren bei der Gesundheitsbehörde 1200 Frauen wegen gewerblicher Unzucht registriert, 520 hatten von der Polizei ein Kontrollbuch erhalten. In den drei Bordellstraßen wohnten ca. 280 Prostituierte, während die Polizei von 400 Frauen für eine volle Auslastung ausging. Die Pächter klagten über schlechte Geschäfte und die Prostituierten konnten, mangels Kunden, nicht immer ihre Miete bezahlen. 1937 kam durch die Eingemeindung der Stadt Altona die Bordellstraße Lohestraße hinzu.  1941 zählte die Sittenpolizei rund 700 kasernierte Prostituierte mit einer Bedarfsmenge von 300.000 Präservativen im Monat, was einem Durchschnitt von 15 Präservativen pro Frau und Tag entsprach. Hauptsächlich waren es Frauen von außerhalb Hamburgs, die in die Bordellstraßen zogen, während die Hamburgerinnen das „freie“ Wohnen bevorzugten.

Kurz nach dem Kriegsbeginn 1939 wurde das Reichsgesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten vom Reichsinnenministerium außer Kraft gesetzt und der Polizei wieder die Aufgabe der Überwachung und Kontrolle der Prostitution übertragen. Eine Entwicklung, die die Hamburger Polizei bereits mit dem Machtantritt der Nazis 1933 vorweggenommen hatte. Die Polizei fertigte Listen von Lokalen an, in denen Prostituierte verkehren durften. Ab 1940 wurden die Inhaber dieser Lokale per Anordnung verpflichtet, alle Frauen, die in ihren Lokalen verkehrten und verdächtig waren der Prostitution nachzugehen, der Sittenpolizei zu melden. Zur gleichen Zeit führten die Gesundheitsämter und die Polizei verstärkt Razzien und Streifen durch. Kontrolliert wurden einschlägig bekannte Lokale und die Region um den Hansaplatz in St. Georg. Viele der Frauen, die bei diesen Polizeiaktionen verhaftet und der heimlichen Prostitution verdächtigt wurden, erhielten seit 1942 ein „Merkblatt für Prostituierte“, mit der Aufforderung in eines der kontrollierten Bordelle zu ziehen. Frauen die sich den Anordnungen widersetzten hatten mit einer Einweisung in ein Konzentrationslager zu rechnen.

Schon im Zeitraum Mai 1934 bis November 1935 wurde unter der Mithilfe der Hamburger Behörden und Polizisten, Fürsorgerinnen, Pastoren und Lehrern etc…  eine Untersuchung durchgeführt, die dann als Grundlage für eine soziale Kartographie und einer „soziale Sanierung“ verwendet werden sollte.. Die Stadtregionen Gängeviertel, Rothenburgsort, Hammerbrock, St Georg Nord, Hoheluft, Barmbek- Uhlenhorst, St. Pauli und Sternschanze, allesamt soziale wie politische Brennpunkte, wurden infolge der Untersuchung als „gemeinschädliche“ Viertel klassifiziert.

„St.Pauli zählt als Verfallsgebiet mit zu den linksradikalsten Hamburgs. Hier haben die minderwertigen Geistes- und Moralkrüppel von jeher festen Fuß gefasst. Zum anderen ist aber noch zu beachten, dass St. Pauli eine sehr große Anzahl jener Elemente wie Verbrecher, Zuhälter und Prostituierte enthält die grundsätzlich Feinde jeder staatlichen Ordnung sind.“

Aus einer Studie des „Soziologischen Universitätsinstitutes“ in Hamburg dieser Zeit (Barth Ariane, 1999 : 73/4)

Die Datenerhebung war äußerst genau und erfasste die sozialen Zusammenhänge in jedem Wohnhaus, in jeder Straße und war direkt mit dem Gesundheitspassarchiv der Gesundheitsbehörde vernetzt, wo sämtliche Krankheiten- und darüber hinaus gehende Daten gesammelt wurden. Neben der baulichen Sanierung der Viertel sollte mittels der Information ein Differenzierungsprozess zwischen den „gesunden“ Bewohnern und den „Minderwertigen“ und „Volksschädlingen“ betrieben werden, bei denen die Maßnahmen der Sterilisierung, der Sicherheitsverwahrung und der Anstaltseinweisung geprüft wurden. Bereits 2 Jahre nach Einrichtung des Archivs existierten sogenannte Leitkarteien für Sterilisierte und „sexuell Abartige“.  Mit Hilfe eines internen Erlasses des Innenministeriums konnten ab September 1940 Prostituierte zu einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden (die Schwangerschaften Prostituierter waren in Hamburg meldepflichtig). Infolgedessen wurden die Gesundheitsämter aufgefordert die Genehmigungen für Abtreibungen und Sterilisationen an Prostituierten („insbesondere Bordellinsassinnen“) einzuholen. Die restriktiven Tendenzen die sich in der deutschen Sozialhygiene und Fürsorge bereits 1921 mit der Gesetzesinitiative des sogenannten Bewahrungsgesetzes zeigten und sich in den darauffolgenden Jahren verstärkten, kamen mit dem nationalsozialistischen Regime voll zur Entfaltung. Während das Gesetz von 1927 noch auf eine Resozialisierung der sich prostituierenden Frauen angelegt war, dominierten im Nationalsozialismus Kontroll- und Zwangsmaßnahmen, die oft mit einer völligen Entrechtung der Frauen einherging. Die Hamburger Frauenwirtschaftskammer mit ihren angeschlossenen Frauenvereinen, wie auch die Fürsorgerinnen des Pflegeamtes, waren gegen die Kasernierung der Prostituierten. Sie wollten eine komplette Unterdrückung der Prostitution erreichen. So sprach sich der Nordverband des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes, wie auch der Verband der weiblichen Angestellten Hamburgs, gegebenenfalls für die Einweisung der Prostituierten in Konzentrationslager aus. Die Frauen, die freiwillig in die Bordellstraßen zogen und sich an die polizeilichen und gesundheitsfürsorgerischen Vorschriften hielten, blieben oftmals von den Maßnahmen der Sozialfürsorge verschont. Frauen, die der heimlichen Prostitution verdächtigt wurden und sich den polizeilichen und gesundheitlichen  Kontrollen zu entziehen versuchten, wurden von der Fürsorge überwacht und kontrolliert. Diese „Fürsorge“ konnte seit der NS-Machtergreifung Entmündigung, Sterilisation oder die Einweisung in ein Konzentrationslager bedeuten. Insgesamt wurden in Hamburg ca. 20.000 Personen sterilisiert, im gesamten Deutschen Reich waren es ca. 360.000.

Freund-Widder Michaela, 2003, „Prostitution und ihre staatliche Bekämpfung in der Freien und Hansestadt Hamburg vom Ende des Kaiserreichs bis zu den Anfängen der Bundesrepublik“, Lit-Verlag, Münster

Zürn Gabriele, 1989, „Prostitution in Hamburg im „Dritten Reich“ 1933-1945“, Magisterarbeit, Universität Hamburg